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Federseeried
Bibliothekssaal Bad Schussenried
Jüdische Kultur in Bad Buchau

Hauptbereich

Allgemeine Informationen

Buchau war fast 600 Jahre die Heimat jüdischer Familien. Zuerst wohnten sie in einem ihnen zugeteilten Wohngebiet. Doch bereits Anfang des 19. Jahrhunderts konnten sie sich im ganzen Stadtgebiet niederlassen. Jüdische Geschäfte und Häuser prägten das Stadtbild. Die Synagoge war ein weithin sichtbares Zeichen einer großen Gemeinde. Im 19. Jahrhundert waren die Juden ganz entscheidend an der wirtschaftlichen Entwicklung von Buchau beteiligt. Betriebe in der Textilherstellung und Verarbeitung waren Hauptarbeitgeber und die Besitzer angesehene Bürger der Stadt. 1839 wohnten 736 Juden in Buchau, das war ein Drittel der damaligen Gesamtbevölkerung.

Auch heute kann man in Buchau noch jüdische Spuren finden, nicht nur die noch erhaltenen Häuser, auch der Friedhof erinnern an die einst blühende Gemeinde. 

(© C. Mayenberger)

Eckdaten

  • 1382: werden die ersten Juden im Federseegebiet genannt
  • 1401: Buchauer Juden zahlen Judensteuer an König Ruprecht
  • 1570: Buchau wird als Jüdische Gemeinde genannt
  • 1675: "Neuer" Judenfriedhof am Rand der Insel
  • 1730/31: Erste Synagoge
  • 1732: Eigene Hebräischschule, sonstiger Unterricht bis 1803 in der Stiftsschule, ab 1825 in der Stadtschule, 1879 – 1938 mit der Latein- und Realschule sowie der Volksschule im Langen Bau
  • 1752: Beschränkung der jüdischen Familien auf 45
  • 1792: Die Äbtissin Maximiliana von Stadion erlaubt 12 Judenfamilien sich in Kappel niederzulassen, eigene Gemeinde mit Synagoge, ab 1873 wieder mit Buchau vereint
  • 1807: Erlaubnis zum Gütererwerb
  • 1809: Erlaubnis zum Betrieb bürgerlicher Betriebe und zum Eintritt in die Zünfte
  • 1822: 2 Judenfamilien dürfen sich in der Hauptstraße niederlassen (Aufhebung des Gettos)
  • 1828: Emanzipation - staatsbürgerliche Gleichstellung
  • 1830: Die ersten Buchauer Textilfirmen waren jüdische Betrieb
  • 1838: Wohnen in Buchau 736 Juden, 1/3 der damaligen Gesamtbevölkerung
  • 1839: Einweihung der "neuen" Synagoge mit Glockenspiel
  • 1841: Bau des Rabbinats neben der Synagoge
  • 1854: Das Glockenspiel wird durch eine Glocke ersetzt
  • 1873: Vereinigung der beiden jüdischen Gemeinden Buchau und Kappel
  • 1900: Um die Jahrhundertwende besitzen die Juden in Buchau die wirtschaftliche Macht und einen entscheidenden Einfluss auf die Gemeindepolitik
  • 1914/18: Zogen jüdische und nichtjüdische Männer an die Front
  • 1923: Am 17.9.23 führt die Firma "Trikotagen Hermann Moos AG" Notgeld in Scheinen zu 5, 20 und 100 Millionen Mark ein (beschränkt bis 31.12.23)
  • 1931: Am 21.2. wurde in Buchau eine Ortsgruppe der judenfeindlichen NSDAP gegründet
  • 1933: Am 5.5. wurde die Judengasse in Freigasse umbenannt (heute wieder Judengasse)
  • 1938: Reichspogromnacht, die Synagoge wird zerstört
  • 1941: Erste Deportation
  • 1945: Im Februar werden die letzten Buchauer Juden abtransportiert. Nur 4 Juden kehren nach Buchau zurück
  • 1968: Der letzte Buchauer Jude, Siegbert Einstein stirbt am 24. Dezember

(© C. Mayenberger)

Einsteinhaus & Rabbinat

Elternhaus von Albert Einstein: Als 1835 der Fürst von Thurn und Taxis den ehemaligen Hofgarten in Baugrundstücke aufteilte, kauften auch die Großeltern von Albert Einstein ein Grundstück und bauten ein Haus. Heute erinnert eine Gedenktafel in der Hofgartenstraße an die Familie Einstein.

Das Rabbinat: Neben der Synagoge war nicht nur die Wohnung des Rabbiners, hier bekamen die Kinder ihren Hebräischunterricht und im Erdgeschoss war eine Bücherei, die nicht nur von Juden, sondern auch von Christen genutzt wurde. Nach der Zerstörung der Synagoge richtete Moritz Vierfelder in einem Raum im Erdgeschoss einen Betsaal ein.

(© C. Mayenberger)

Café Vierfelder

Moritz Vierfelder ein angesehener Bürger in Buchau betrieb bis 1938 sein Café, dann wurde ihm die Konzession entzogen. Während des Boykotts im April 1933 standen SA-Posten vor dem Eingang. Einige Mitbürger ließen sich trotzdem nicht abhalten im Vierfelder ihr Viertele zu trinken.

Vierfelder emigrierte 1940 nach Amerika und verfasste dort die „Buchauer Nachrichten“. Mit diesen Informationsblättern hielt er noch viele Jahre die alte Buchauer Gemeinde zusammen, obwohl die Gemeindemitglieder auf der ganzen Erde verstreut lebten.

Vierfelder pflegte nach dem Krieg einen regen Schriftverkehr mit Siegbert Einstein, er wollte weiterhin am Geschehen und der Entwicklung von Buchau beteiligt sein. Auf dem Totenbett sagte er zu seinen Angehörigen: „Ich bin weit in der Welt herumgekommen, und sogar in Amerika gewesen“ und auf die Frage „wo bist Du jetzt“ antwortete er glücklich „in Buchau“.

(© C. Mayenberger)

Die Synagogen in Bad Buchau

Bevor die Buchauer Gemeinde eine Synagoge bauen konnte gab es Beträume in verschiedenen Häusern, einer davon ist noch erhalten im Schuhhaus Konrad. Die erste Synagoge wurde 1730/31 gebaut. Heute steht an der Stelle ein Brunnen in Form eines aufgebrochenen Davidsterns. Über dieses Gotteshaus ist nur wenig bekannt, es hatte eine vergitterte Frauengalerie und war heizbar, ein Hinweis, dass die Synagoge auch als Lehrhaus genutzt wurde.

Nach der Emanzipation 1828 wurde die große Buchauer Synagoge gebaut. 1839 wurde sie feierlich eingeweiht. Das Programm der Einweihung ist noch erhalten und zeigt auf, dass Juden und Christen dieses Fest gemeinsam begingen. Ein Klassizistischer Bau der das Stadtbild prägte. Die Synagoge hatte einen kleinen Turm in dem zuerst nur ein Glockenspiel hing, 1954 bekam die Synagoge eine große Glocke mit der Innschrift "Ich freue mich, wenn man mir kündet, wir wollen ins Gotteshaus gehen".

Wie fast alle Synagogen in Deutschland wurde auch die Synagoge in Buchau in der Nacht vom 9. auf den 10. November in Brand gesetzt. Der Brand war schnell gelöscht, da die Feuerwehr ausrückte und Juden und Christen gemeinsam löschten. Doch das Kommando aus Ochsenhausen wollte sich keine halbe Arbeit nachsagen lassen und so wurde in der darauf folgenden Nacht erneut Feuer gelegt. Dieses mal durfte die Feuerwehr nur die angrenzenden Häuser schützen. Die Grundmauern der Synagoge waren 85 cm dick und deshalb reichte das Feuer nicht aus um das Gotteshaus zu zerstören. Die Buchauer Juden mussten selber für die Sprengung aufkommen die am 18. November 1938 von Ulmer Pionieren durchgeführt wurde. Heute steht eine Trauerweide an der Stelle wo früher die Thoralade stand.

(© C. Mayenberger)

Judengasse, -schule & Mikwe

Judengasse 15: In diesem Haus wurde bei Umbauarbeiten an einem Türpfosten im Dachgeschoss eine Mesusa gefunden. Das Haus wurde bereits ende des 19. Jahrhunderts an Christen verkauft. Das Haus hat noch heute die alte Türe mit dem Schulklopfer, damit wurden die Juden zum Gebet in die Synagoge gerufen.

Judenschule und Mikwe: 1825 wurde das Jüdische Gemeindehaus in der Spitalstraße gebaut. Im Gemeindehaus bekamen die Kinder ihren Hebräischunterricht, sonst gingen die Kinder mit den anderen in die Stadtschule. Hinter dem Gemeindehaus war die Mikwe.

(© C. Mayenberger)

Siegbert Einstein

1889 wurde Siegbert Einstein in Buchau geboren. Im ersten Weltkrieg war er Frontkämpfer und wurde mit dem EK I und II ausgezeichnet. Er war mit einer evangelischen Christin verheiratet und hatte deshalb im Dritten Reich vorübergehend geringfügige Begünstigungen. Er musste 1938 aber sein Geschäft aufgeben und arbeitete dann als Hilfsarbeiter im Butterwerk in Riedlingen. Im Februar 1945 wurde er in das KZ Theresienstadt deportiert. Ende Juni 1945 kehrte er zurück.

Bei den Gemeinderatswahlen im September 1946 wurde er zum stellvertretenden Bürgermeister von Buchau gewählt. Er kümmerte sich nach seiner Rückkehr um die Wiedergutmachung des Begangenen Unrechts an seinen Glaubensbrüdern und regelte für viele ihre Wiedergutmachungsangelegenheiten. Dafür wurde ihm 1959 das Bundesverdienstkreuz I. Klasse verliehen. Am 24. Dezember 1968 starb er und wurde auf dem Buchauer jüdischen Friedhof beigesetzt.

(© C. Mayenberger)

Jüdischer Friedhof

Bis 1675 war der "Gute Ort" hinter Kappel, an der alten Saulgauer Straße. Der Friedhof wurde 1650 angelegt und diente auch den Juden aus Mittelbiberach und Aulendorf. 1675 war die erste Beisetzung, es war Levi Israel, Sohn des Abraham Günzburger aus Aulendorf. Fast 1 000 Tote ruhen auf dem Friedhof. Da nach jüdischem Gesetz für die Toten ewige Grabesruhe gilt, wurde der Friedhof im alten Teil teilweise mit 3 Grabreihen übereinander belegt, weil es anfänglich nicht möglich war den Friedhof zu erweitern. Erst nach der Emanzipation war es möglich 1850 und 1892 weitere Grundstücke zu erwerben, so dass der Friedhof heute eine Größe von 66,98 Ar hat. Die Grabsteine schauen alle mit der Stirnseite nach Osten. Leider wurde der Friedhof im 3 Reich geschändet und Grabmale zerstört und auch entfernt.

Wer sich Zeit nimmt um auf dem Friedhof die Grabsteininschriften zu entziffern wird schnell erkennen, dass die Inschriften ganze Lebensgeschichten erzählen. Wie durch Krankheit viele Mitglieder einer Familie starben, oder wie angesehen der Verstorbene in der Gemeinde war. Auch über die Grabsymbole ist einiges über die Verstorbenen zu erfahren. Gebrochene Säulen erinnern an den „Abbruch des Lebens“, ein Junger Mensch liegt hier begraben. Beim Grab von Lazarus Wallersteiner gibt es drei Symbole. Das aufgeschlagene Buch, das Messer und ein Schofar (Widderhorn). Das Buch weist auf seinen frommen Lebenswandel hin. Das Messer zeichnet ihn aus als „Mohle“ der Gemeinde, er beschnitt die jüdischen Buben und führte sie ein in Abrahams Bund. Der Schofar weist auf das Ehrenamt des Schofarbläsers in der Gemeinde hin. Der Schofar wird traditionell an Rosch Haschana, dem jüdischen Neujahr in der Synagoge geblasen.

Auf vielen Gräbern sind kleine Gedenksteinchen, ein Zeichen, dass das Grab besucht wurde. Ein Symbol aus der Zeit, als die Juden noch unbefestigte Friedhöfe hatten und jeder Stein zum Erhalt des Grabes beitrug.

(© C. Mayenberger)